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Joseph Ratzinger und der Missbrauchs-Skandal


Prof. Dr. med. Rolf Zander
Mail: cr-zander@widersprueche.eu
Web: www.widersprueche.eu

Herrn Eric Gujer
Chefredaktor der Neuen Zürcher Zeitung

20. Februar 2022

Joseph Ratzinger und der Missbrauchs-Skandal

Sehr geehrter Herr Gujer,

als Chefredaktor der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) sind Sie sicher auch daran interessiert, die widersprüchlichen Meldungen zur Frage einer Mitverantwortung von Joseph Ratzinger am Missbrauchs-Skandal in der katholischen Kirche aufzulösen.

Am 01.02.2022 veröffentlicht die NZZ einen Beitrag von Herrn Manfred Lütz, Psychiater, Psychotherapeut, Theologe und Buchautor (2003 organisierte er den ersten vatikanischen Missbrauchskongress).

Daraus stammen folgende Zitate:

  • Papst Benedikt hat den Missbrauch in der Kirche zum Thema gemacht – nur will sich heute niemand mehr daran erinnern.
  • Das Münchner Gutachten zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche wirft ein schlechtes Licht auf Papst Benedikt. Doch es blendet vieles aus. Wie ich den Papst in seinem Vorgehen gegen Missbrauch selbst erlebt habe.
  • Hier aber entsteht der Eindruck, dass ein Greis, der ausgerechnet zur ihm ursprünglich ganz fremden Missbrauchsthematik Bahnbrechendes geleistet hat, sensationslüstern auf die Bühne gezerrt wurde.
  • Als Kardinal stellte sich Benedikt dem Thema Missbrauch und hielt 2003 einen Kongress dazu ab.
  • Ab 1999 hatte ich also erlebt, wie entschieden Joseph Ratzinger gegen Missbrauch vorging.

Am 08.02.2022 veröffentlicht die NZZ einen Kommentar von Herrn Thomas Ribi.

Daraus stammen folgende Zitate:

  • Benedikt und der Missbrauchsskandal: Es geht um Straftaten. Und die Kirche muss das endlich klar benennen. Für die Kirche sind Sexualstraftaten vor allem Sünden gegen Gott und nicht Vergehen gegen Menschen. Solange das so bleibt, kann sie das Problem nicht lösen.
  • Als Vorsitzender der Glaubenskongregation hat Kardinal Ratzinger zweifellos Zeichen gesetzt. Aber er hat die Bischöfe auch klar auf den innerkirchlichen Weg verwiesen, nicht auf die Strafverfolgungsbehörden.
  • Man möchte laut aufschreien: Es geht, Herrgottnochmal, um Vergewaltigung, um sexuelle Handlungen, um das Ausnützen von Vertrauensverhältnissen. Um Verbrechen, mit denen die Täter anderen Menschen Leid antun.

Sehr geehrter Herr Gujer,

nicht nur die NZZ sondern auch andere Presseorgane äußern sich zur Mitverantwortung von Joseph Ratzinger am Missbrauchs-Skandal in der katholischen Kirche.
So berichtet die SZ (bzw. dpa) am 14.02.2022 unter der Überschrift „Vater der Transparenz“:

  • Erzbischof Georg Gänswein spricht vom emeritierten Papst Benedikt XVI. als dem „Vater der Transparenz“.
    [Georg Gänswein, ist weiterhin Privatsekretär Benedikts XVI., der wie er im Kloster Mater Ecclesiae in den Vatikanischen Gärten lebt. Papst Franziskus hat ihn im Februar 2020 als Präfekten des Päpstlichen Haushalts beurlaubt, damit er dem emeritierten Papst Benedikt XVI. mehr Zeit widmen könne.]

Joseph Ratzinger– Mitarbeiter der Wahrheit?

Als Joseph Ratzinger am 28. Mai 1977 im Liebfrauendom zum Erzbischof von München und Freising geweiht wird, sucht er sich aus dem 3. Brief des Johannes seinen bischöflichen Wahlspruch aus: „Cooperatores Veritatis“ – Mitarbeiter der Wahrheit (21.01.2022 SZ).

Die Wahrheit findet sich hier:

  • Aus Gründen absoluter Geheimhaltung zog in der Tat die verschwiegene vatikanische Glaubenskongregation alle wichtigen Fälle von Sexualvergehen von Klerikern an sich und so kamen die Fälle in den Jahren 1981 bis 2005 auf den Tisch ihres Präfekten Kardinal Ratzinger.
  • Dieser sandte noch am 18. Mai 2001 ein feierliches Schreiben über die schweren Vergehen (Epistula de delicitas gravioribus) an alle Bischöfe der Welt, in welchem die Missbrauchsfälle unter die päpstliche Geheimhaltung (secretum Pontificum) gestellt wurden, deren Verletzung unter Kirchenstrafe steht (27/28.02.2010 SZ).

Zitat siehe auch in: Rolf Zander, Wi(e)dersprüche – Politik in Presse-Zitaten seit 1968 
ISBN 978-3-98527-039-2 (2. gekürzte Auflage 2021).

Sehr geehrter Herr Gujer, die Leser der NZZ und die der Website widersprueche.eu würden ich sehr über einen Kommentar Ihrerseits zum Thema Mitverantwortung von Joseph Ratzinger am Missbrauchs-Skandal in der katholischen Kirche freuen.

Mit Dank im Voraus und besten Grüßen

R. Zander (80, parteilos)

|   Deutschland
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